Ich habe neulich irgendwo den Satz gelesen: „Alle Philosophen sind Vegetarier.“ Und woanders habe ich einen anderen Satz gelesen: „Die allermeisten Philosophen sind gar keine Vegetarier.“ In den letzten Tagen habe ich dann immer mehr solche Sätze gelesen: „Ich kenne viele Philosophen, die nie Vegetarier werden würden.“ oder auch: „Ein Bekannter von mir ist Philosoph, und der ist so wenig Vegetarier wie ich.“
Einige dieser Sätze sind wohl richtig, andere nicht. Aber alle diese Sätze haben die merkwürdige Nebenwirkung, dass ich von nun an immer an Vegetarier denke, sobald ich nur das Wort Philosoph höre. Mir bleiben immer nur die Wörter Philosoph und Vegetarier im Gedächtnis. Kein Wunder, es sind ja auch sogenannte Hauptwörter. Was da sonst noch steht in diesen Sätzen („sind gar keine“, „wird nie werden“, „ist so wenig“), fällt weit weniger ins Gewicht bzw. ins Gehör.
Über Vegetarier wird in letzter Zeit tatsächlich einiges geschrieben. Dass ich hingegen über Philosophen so viel gelesen haben soll, wird Sie vermutlich erstaunen. Vielleicht haben Sie sogar Recht, und mein Gedächtnis hat mich schlicht getäuscht. Vielleicht lauteten die Sätze gar nicht wie eingangs zitiert. Vielleicht hieß der eine Satz auch: „Alle Muslime sind Vegetarier.“ Und der andere Satz vielleicht: „Die allermeisten Philosophen sind gar keine Terroristen.“
Ja, könnte sein, dass die Sätze so oder ähnlich lauteten, man kommt da schon mal durcheinander, wenn man jeden Tag fleißig eine Vielzahl von Medien konsumiert. Die assoziative Verbindung der Hauptwörter erfolgt natürlich auch in diesen Sätzen ganz automatisch.
Vielleicht sollten wir versuchen, bestimmte Wörter einfach nicht mehr ganz so oft zusammen in einem Satz zu verwenden. Sie werden mir sofort erwidern, man werde es doch wohl noch sagen dürfen, wenn ein Philosoph zum Vegetarier wird. Und noch viel mehr habe die Welt ein Recht zu erfahren, dass nicht alle Soziologen vegan leben! Aber selbstverständlich dürfen Sie das sagen. Das ist ja das Großartige an diesem Land, dass wir das alles sagen und schreiben und zeichnen dürfen!
Aber vielleicht ist es ja keine so schlechte Idee, unsere Lieblingshauptwörter einfach mal mit anderen, weniger oft benutzten Wörtern zu verbinden. Die Zeitungen werden uns vielleicht weniger euphorisch zitieren, wenn wir in die Welt hinausrufen, dass die meisten Philosophen da her kommen, wo sie leben! Oder noch erstaunlicher: dass viele Vegetarier gar nicht so richtig an das Jüngste Gericht glauben! Klingt etwas weniger spektakulär? Ja vielleicht. Aber wenn es stimmt, sollten wir es vielleicht trotzdem sagen.
R. Kamberger. Agentur für Anerkennung